Wanambi

160 years sailing around the World

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Written By: Tom - Aug• 11•13

Wir stehen, für unsere Verhältnisse, früh auf. Kaffee, Kekse, mehr bekomm ich in der früh nicht in den Bauch, ich bin kein Frühstücker. Die Windvorhersage für heute sagt alles und nichts. 6 bis 8 m/s Böen größer 12 m/s, also alles zwischen 2 und 5 Bft. Die Richtung ist mit Wast angegeben, da könnte man ja sogar bis zum Alsen Sund segeln. Klasse!

So gegen 9:30 Uhr klaren wir auf und machen die Leinen zum Ablegen klar. Gabi und Dieter kommen, gut so, mittlerweile kommen Böen in die Boxengasse, natürlich von West und natürlich von der Seite. An Steuerbord liegt ein Motorboot, ein Hochhaus, das macht die Sache etwas diffizil. Wir würden gegen den, wie eine Mauer, neben uns stehenden Rumpf gedrückt. Also jede Menge Fender, Ulli mit der Kugel, Vorleinen los. Ich ziehe mich nach achtern, werfe die Steuerbordleine los, weiter nach Backbord, Leine los und dann vorsichtig mit der Maschine achteraus. Der Bug dreht zum Motorboot, abfendern, das ganze Schiff driftet zum Motorboot, abdrücken, abfendern. Was hat Wanambi mit einem Motorboot? Nun ja, ganz langsam geht es ohne Schaden raus aus der Box.

Im Vorbecken machen wir seeklar, Fender rein, Festmacher aufschießen, alles verstauen. Dann geht es hinaus, zur gelben Untiefentonne. Die Welle lässt uns schon schön stampfen, die Windrichtung ist West mit leichter Südtendenz. Prima, nach der Tonne können wir segeln, das bringt Geschwindigkeit und Ruhe ins Schiff.

Denkste, kaum rum, dreht der Wind mit, ein kurz nach uns ausgelaufener Segler setzt das gereffte Groß und die gereffte Genua, ich beobachte ihn, er zieht weit in Richtung Årø. Sieht gar nicht schlecht aus, der Kurs. Nach der Wende läuft er erst gut Höhe, nach kurzer zeit muß er immer weiter abfallen und kommt fast eine halbe Meile hinter uns durch. Nö, das wird nichts mit segeln, so schaffen wir die rund 50 Meilen bis Flensburg nicht, vielleicht später.

Es brist auf, so um die 16 kn Wind im Mittel und Böen von 22 kn, das wäre ja das, was angesagt war. Die Richtung ist Südwest, klar, oder? Wanambi stampft durch die Wellen, wir kommen, na ja halbwegs, voran. das erste Sperrgebiet, davor ist ein kleines Flach die Wellen werden etwas weniger. Und wieder wundere ich mich über diese seltsame See, viel zu hoch für den Wind, die Wellen kurz aufeinander folgend, jede dritte ein Brecher. Wir tuckern weiter, die Drehzahl nicht zu hoch, denn ich habe keine Ahnung wieviel Diesel im Tank ist. Mit ach und krach haben wir 15, vielleicht 16 Meilen geschafft, in VIEREINHALB STUNDEN.

Es wird dunkel über uns und beginnt zu regnen – das muß dann wohl auch noch sein – Mist.

Dann aus dem nichts, 25 kn, 28 kn, 30 kn, 33 kn, 35 kn aus WestSüdwest. In Sekunden baut sich eine See auf, wie ich sie nur von der Nordsee kenne. Hier ist sie kürzer, kabbeliger, kaum auszusteuern. Wanambi verhält sich gut in der See und bei dem Wind, aber wir stehen und driften, klar direkt auf die nördliche gelbe Tonne vom Schießgebiet zu. Hmm, also Drehzahl hoch, bei 3000 U/min läuft Wanambi mit fast vier Knoten gegen die Welle, alle Achtung.

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Der Regen tut im Gesicht weh, die Böe hält durch, es ist auch kein Ende in Sicht. Ein Glück haben keine Segel oben. Der unruhige Bug läd nicht gerade zum Vorsegel bergen ein, vom Groß wollen wir gar nicht erst reden. Ulli meint nur, das ist die Stelle wo die Ente von Bord gegangen ist, das ist jetzt die Rache…

Wir müssen noch jede Menge Manöver trainieren, natürlich kann das Schiff den Wind ab, natürlich ist hier noch kein Grund für irgendeine übereilte Aktion. Wir fühlen uns sicher, gut aufgehoben in dem tiefen Cockpit aber Segelmanöver, bei 8 Bft, buh, das ist nicht ohne. Für die, die es nicht wissen, Wanambi hat Stagvorsegel, zum Setzen, Bergen, Wechseln muß eine(r) nach vorne, an den Mast und aufs Vorschiff. Die Wege sind weit und das Blister Deck bietet wenig halt ohne Strecktaue. Dann ist da vorne der Poller zum Festmachen, nein keine Klampen, ein zentraler Poller und die mechanische Ankerwinsch. Über all den Kram muß man hinweg wenn man das geborgende Segel sichern will wobei das Sichern dann so weit unten ist, dass das kein ernstes Problem ist.

Endlich hört diese Bö auf. Die Sonne kommt  hervor, ein Militärhubschrauber fliegt die Küstenlinie ab. Die schauen wohl ob einer in Not ist, denn er fliegt danach direkt zurück zum Stützpunkt. Jetzt sieht es aus wie Sommer, kaum zu glauben. Der Wind ist wieder bei 12 bis 16 Knoten und alles tu so als sei nichts gewesen.

Wir können nach Aabenraa sehen, in den Alsen Sund, hier kommen Segler raus, unter Vollzeug, die haben von dem Theater nichts mitbekommen. Wir tuckern weiter, trauen dem Wetter nicht. Über Aabenraa steht eine dunkle Wolke, ach Mensch, nicht noch mal und bitte auch kein Regen mehr. Wir wollen jetzt nach Hause, haben keine Lust mehr. Wenn es gut geht kommen wir an der Wolke vorbei, schließlich kommt der Wind aus Südwest, der Regen müsste achtern vorbei gehen. Plötzlich formt sich aus dem dunklen Teil ein Trichter, ich will es nicht glauben, NEIN ich will es nicht haben, nicht noch so ein Mist, nicht so kurz vor dem Sund.

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Mehr Drehzahl, schneller rein in den Sund. Einen Rand eiskalter Luft bekommen wir mit, aber dann ist der Spuk vorbei. Hinter uns sehen wir die Dunkle Wand in Richtung Assens ziehen. Was ist denn das jetzt, ein Segler kreuzt hart am Wind auf Gegenkurs. Bitte, wie geht das denn, Südwest und der hat Nordwest bis Nord? Ein Teil der schwarzen Wolke zieht nun auf einmal nach Südost, es beginnt zu tröpfeln. Ein Glück, wir sind auf der Rückseite von dem Ding.

Von Tüchern an Masten und Stagen haben wir erst mal die Nase voll, obwohl der Wind eine Backstagsbrise ist bleibt das gelumpert unten, wer weiß was uns noch blüht. So tuckern wir durch den Alsen Sund, umrunden die Untiefentonne und sieh an, der Wind dreht auf West Südwest, gegenan. Gut getan, sonst müsste ich kalt und klamm wie ich bin nach vorne. Eine Luffe 46 versucht ihr Glück mit Segeln, nach 10 Minuten gibt auch diese Besatzung auf. Es kommen uns Segler unter Vorsegel entgegen. Na ja, man muß auch gönne könne, wie der Kölner sagt.

Viertel vor fünf sind wir an der Brücke in Sønderborg, ich drehe Kreise, will mir ansehen wie das Schiff auf das Ruder reagiert. Beim dritten Kreis sieht Ulli ganz blass aus, ihr ist übel. Gibts nicht, keinerlei Anzeichen von Seekrankheit auf der ganzen Reise und dann nach drei Kreisen eine weiße Nase. Die Brücke geht auf, ein kleines Folke zwängt sich vor uns, wir fahren hindurch, nein durch die Brücke, nicht durch das Folkeboot. Auf der anderen Seite legt gerade ein Riesenpott ab, Synfonie Sylt. Eine Grand Soleil 70, ein Boot mit nicht gerade ruhmreicher Vergangenheit. Am 05. Mai 2005 kam der Steuermann ums Leben nachdem er von der Großschot getroffen wurde. im Mai 2010 kollidierte das Schiff währen der „Rund Skagen“ Regatta mit einem triebenden Gegenstand und hatte starken Wassereinbruch. Die Mannschaft wurde abgeborgen, das Schiff später gerettet. Das Monster ist 21.3 Meter lang, 6 Meter breit, hat 2,8 Meter Tiefgang und wiegt 27 Tonnen.

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Die Sønderborger Bucht ist zahm, es ist 17:40 Uhr und der Wind kommt von vorn, wo denn sonst her. Das Monsterschiff setzt in der Mitte der Bucht die Segel, klar, alles gerollt und/oder hydraulisch. Die Synfonie Sylt zieht ab in Richtung Gelting. Zuviel Umweg von hier aus sind es immer noch 3 bis 4 Stunden bis zum Heimathafen. An der Ecke Kragesand dreht der Wind noch einmal mit – langsam ist uns das egal. Es frischt auf, wir stampfen durch die Wellen, von Brunsnæs bis zu Schwiegermutter könnten wir gut segeln, war ein Witz, für die 10 Minuten mach ich den Aufwand nicht.

Vorbei an Marina Minde und der Schwiegermutter können wir Harrislee fast riechen. Jetzt noch eineinhalb Stunden und wir sind zu Hause. Wir freuen uns auf Jerry, der Tag war lang und alles andere als ein erquickender Segeltag. Über Flensburg baut sich eine schwarze Wolke auf, hoffentlich ist das Ding weg wenn wir ankommen, na ja ist ja noch eine gute Stunde, eher mehr. Auf der Höhe Rikenæs sieht Ulli einen Blitz, nee nicht schon wieder. Es sieht aus als würde es sich halten und langsam östlich wegziehen.

Nix da, die Økseør querab kracht das Gewitter auf uns ein, wieder knappe 8 Bft, wieder schmerzender Regen, wenigstens weniger Welle. Man sieht nichts, nicht mal mehr die Inseln. Was jetzt? Die Blitze kommen näher, ach Mensch, warum eigentlich immer wir? Ich überlege, wenn das so bleibt fahren wir in die Hafenspitze, hier kann man ohne Welle abwarten. Kollund querab, wir können langsam wieder etwas sehen. Der Wind schläft ein, es wird wärmer. So tuckern wir in unseren Heimathafen. Ab in die Box, ein wenig aufklaren. 48 Meilen durch alle vier Jahreszeiten, o.k. geschneit hat es nicht, aber es war nah dran. Selten, dass wir so ausgepowert irgendwo ankamen.

Nun ist er zu Ende, der erste längere Törn mit Wanambi. Jetzt geht es dran zu fixieren was wir noch zu tun haben, das ist jede Menge. Zu Hause wartet der Kater, er hat uns anscheinend doch vemisst.

Jerry001

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